Hintergrund: Betreiberwechsel Linie 27
Warum ist die Zickenheiner GmbH vorerst nicht mehr Betreiber der Linie 27 Koblenz-Asterstein?
Weil in dieser Sache falsche und ungenaue Informationen im Umlauf sind, möchten wir Ihnen hier den Hintergrund erläutern.
Die Genehmigungen für Buslinien basieren auf einem kompliziertem System. Im Prinzip gibt es zwei Methoden des Betriebs:
- die eigenwirtschaftliche (der Genehmigungsinhaber finanziert sich allein aus Ticketverkäufen und den Erstattungen für günstigere Schüler- und Schwerbehindertentickets) und
- die gemeinwirtschaftliche (der ÖPNV-Aufgabenträger, in Rheinland-Pfalz die Landkreise und kreisfreien Städte, zahlt Subventionen, damit das von ihm geforderte Leistungsniveau erbracht werden kann).
Kreisfreie Städte und Landkreise können in ihren Nahverkehrsplänen weitreichende Standards für ihren ÖPNV festlegen (z.B. Anzahl der täglichen Bedienungen, Qualität der Fahrzeuge, Sozialstandards für Angestellte, Lieferung von Echtzeitdaten…). Diesem Standard muss der Genehmigungsinhaber grundsätzlich entsprechen (egal ob eigenwirtschaftlicher oder gemeinwirtschaftlicher Betrieb). Zusätzlich können Nahverkehrspläne auch mehrere Linien zu sogenannten Bündeln zusammenfassen, die dann nur noch gesammelt vergeben werden (so auch der Fall im Jahr 2020 für den gesamten Koblenzer Stadtverkehr).
Wenn die Genehmigung einer Linie ausläuft und der Aufgabenträger der Meinung ist, seine Standards könnten nur mit Zuschüssen erbracht werden, startet er das Verfahren einer gemeinwirtschaftlichen europaweiten Vergabe. Hier gewinnt der Anbieter, der die Forderungen mit dem günstigsten Preis umsetzen kann (es sei denn, es werden noch andere Kriterien definiert, was aber unüblich ist).
Dieses gemeinwirtschaftliche Verfahren ist auch im Fall der Linien 27 und N7 für die Genehmigungszeit von August 2018 bis Dezember 2020 gestartet worden. Dies geschieht mit der sogenannten Vorabinformation, in der der Aufgabenträger ankündigt, eine im Detail beschriebene Leistung vergeben zu wollen.
Gesetzlichen Vorrang genießt aber die Eigenwirtschaftlichkeit. Der Aufgabenträger oder derjenige, der mit der Ausschreibung betraut ist (hier der Verkehrsverbund Rhein-Mosel), ist daher verpflichtet, zunächst Gelegenheit für eigenwirtschaftliche Anträge zu stellen.
Das ist auch im Fall der Linien 27 und N7 geschehen. Es gab drei eigenwirtschaftliche Anträge, darunter die von Zickenheiner GmbH und Martin Becker GmbH und Co. KG. Diese Unternehmen waren der Auffassung, dass sie die Ansprüche der Stadt Koblenz auch ohne Zuschüsse erfüllen können.
Damit wechselt das Verfahren von einer europaweiten Vergabe zu einem Wettbewerb um eigenwirtschaftliche Genehmigungen.
In diesem Fall entscheidet nicht der günstigste Preis (denn der Aufgabenträger zahlt nichts), sondern das attraktivste Angebot – also Bedienungsfrequenz, Fahrtzeiten, Verknüpfung mit anderen Bahnen oder Bussen, oder Zusatzleistungen wie Echtzeitdaten und Klimaanlagen. Hier haben die Unternehmen Gestaltungsspielraum. Voraussetzung ist, dass die Anträge dem Nahverkehrsplan entsprechen.
Die Entscheidung im eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb obliegt dem Landesbetrieb Mobilität (LBM). Er wägt die Angebote gegeneinander ab und soll demjenigen Unternehmen die Genehmigung erteilen, das dem Fahrgast die meisten Vorteile verspricht.
Dazu hört er auch Betroffene an – etwa den Aufgabenträger, Unternehmens- und Berufsverbände, den VRM, Kommunen und Gemeinden. Ein wichtiger Faktor ist außerdem das sogenannte Altunternehmer-Privileg, das auch ein Gewicht in der Abwägung hat (bei 27 und N7 ist die Zickenheiner GmbH der Altunternehmer).
Hier ist der LBM zum Ergebnis bekommen, dass auf Grundlage der Forderungen des Koblenzer Nahverkehrsplans Martin Becker (Teil der Rhenus-Veniro-Gruppe) das beste Angebot abgegeben hat. Dagegen hat die Zickenheiner GmbH Widerspruch eingelegt. Dieser Widerspruch muss nun geprüft werden.
Damit in einem solchen Fall der Verkehr nicht zum Erliegen kommt, erteilt der LBM einstweilige Erlaubnisse. Diese sind befristet auf je ein halbes Jahr. In diesem Fall ging die einstweilige Erlaubnis für den Betrieb der Linien 27 und N7 ab 1. August 2018 an Martin Becker.
Das ist der aktuelle Stand zum 30. Juli 2018. Es handelt sich also weder, wie in einer Pressemitteilung des VRM dargestellt,
- um eine europaweite Vergabe (dieser Prozess wurde zwar grundsätzlich in Gang gesetzt, mündete aber in einem eigenwirtschaftlichen Genehmigungswettbewerb)
- noch hat der VRM eine solche tatsächlich durchgeführt (sondern der LBM hat im Genehmigungswettbewerb entschieden)
- noch erhält Martin Becker die Genehmigung oder Konzession (sondern eine einstweilige Erlaubnis für sechs Monate).
Das Verfahren ist nicht rechtskräftig abgeschlossen. Die Zickenheiner GmbH ist weiterhin der Auffassung, das attraktivste Angebot abgegeben zu haben.